Empfehlungen

Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung www.Landesjugendamt.de
Empfehlungen zur Gewährung von einmaligen Beihilfen oder Zuschüssen im Rahmen der Vollzeitpflege gemäß § 39 Absatz 3 SGB VIII Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 1. März 2004

I. Einleitung

Durch die Ausgestaltung der Leistungen zum Unterhalt nach § 39 SGB VIII in einer Empfehlung des Landesjugendamtes, die in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden erfolgt, soll eine vergleichbare Bewilligungspraxis der Jugendämter im Land Rheinland-Pfalz sichergestellt werden. Zu diesem Zweck hat der Landesjugendhilfeausschuss den Auftrag zu einer zeitgemäßen Überarbeitung der Empfehlungen zur Gewährung einmaliger Beihilfen oder Zuschüsse aus dem Jahre 1992 erteilt.
Wie bei anderen Hilfen zur Erziehung außerhalb des Elternhauses beinhaltet die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII neben den sozialpädagogischen Leistungen der Erziehung durch eine Pflegefamilie auch Leistungen des Unterhaltes als Annexleistungen, die im Einzelnen in § 39 SGB VIII geregelt sind.
Der Unterhalt eines jungen Menschen in einer Pflegefamilie umfasst neben der Sicherung des gesamten regelmäßig wiederkehrenden Bedarfs durch laufende Leistungen auch die Gewährung von einmaligen Beihilfen oder Zuschüssen gemäß § 39 Abs. 3 SGB VIII. Die im Einzelnen aufgeführten Beihilfen und Zuschüsse sind nicht abschließend, sie umfassen aber einen wesentlichen Teil der in der Praxis relevanten Einmalleistungen.
Jeder nicht regelmäßig wiederkehrende Bedarf ist durch einmalige Leistungen zu decken, wenn dieser Bedarf unter den Begriff „notwendiger Unterhalt" zu subsumieren ist. Die Bewilligung einer einmaligen Beihilfe oder eines Zuschusses ist eine Ermessensleistung des zuständigen Jugendamtes. Dabei sind stets die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen, d.h. der besondere entwicklungsbedingte Bedarf des einzelnen jungen Menschen. Das Jugendamt prüft in jedem Einzelfall, ob eine Beihilfe oder ein Zuschuss auf Anregung der Pflegefamilie - unter den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bewilligt werden kann. Von Ausnahmen in Eilfällen abgesehen ist eine vorherige, zeitnahe Bewilligung durch das Jugendamt vor der Anschaffung erforderlich.

II. Empfehlungen im Besonderen

1. Leistungen für die Erstausstattung
Eine Erstausstattung gehört zur Grundausstattung einer Pflegestelle. Sie ist deshalb als einmalige Leistung zu gewähren, da in den laufenden Leistungen keine Mittel für die Erstausstattung vorhanden sind, während im Rahmen der Heimerziehung diese Kosten im täglich zu entrichtenden Entgelt (Investitionskosten) enthalten sind. Insofern sind die Möblierung und Ausstattung des Zimmers bezogen auf das Alter und die Bedürfnisse des Kindes nicht nur eine einmalige Leistung der Erstausstattung, vielmehr ist sie bei Bedarf zu ergänzen.

1.1 Es ist davon auszugehen, dass in der Regel einem Pflegekind ein eigenes Zimmer in der Wohnung bzw. im Hause der Pflegeeltern zur Verfügung steht und es im Übrigen die anderen Räume mitbenutzt
Die hieraus resultierenden Kosten der Erstausstattung umfassen
• die Renovierung und kindgerechte Einrichtung des Kinderzimmers und
• die Erstausstattung mit Mobiliar. Diese umfasst insbesondere
• ein komplettes Bett mit Matratze, Kopfkissen und Decke, Bettbezüge sowie
• einen Spiel- oder Arbeitstisch, einen Schrank, einen Stuhl sowie
• weitere Ausstattungen, die den altersbedingten Bedürfnissen des Kindes entsprechen,
z.B. für ein Kleinkind: pädagogisches Spielmaterial, Autositz, Kinderwagen
Zur Höhe der Erstausstattung lassen sich keine verbindlichen Beträge nennen, da zu viele individuelle Faktoren eine Rolle spielen, lediglich für die Einrichtung eines Zimmers kann von einem Richtwert von 1.500,-- EUR ausgegangen werden. Pädagogisches Spielmaterial und ein Kinderwagen können bei gutem Erhaltungszustand auch gebraucht erworben werden, während ein Autokindersitz und andere der Sicherheit und dem Schutz der Pflegekinder dienende Gegenstände eher neu angeschafft werden sollten.

1.2 Wegen der nicht geringen Kosten geht das Mobiliar erst nach fünf Jahren in das Eigentum des Pflegekindes über. Bis zu diesem Zeitraum bleibt es im Eigentum des Jugendamtes und wird jährlich mit 20 % der Anschaffungskosten abgeschrieben. Danach fällt es in das Eigentum des Pflegekindes. Innerhalb dieser Frist kann das Jugendamt entscheiden, ob das Mobiliar dem Kind überlassen oder zu einem vertretbaren Preis den Pflegeeltern oder Dritten verkauft wird oder ob das Jugendamt die Möbel einlagert, um sie anderweitig zu verwenden. Bei einem Wechsel der Pflegefamilie ist die Mitnahme des Mobiliars anzustreben.

1.3 Bekleidungserstausstattung
Die Erstausstattung an Bekleidung wird im Regelfall in derselben Höhe gewährt wie für Minderjährige, die im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung untergebracht sind. Die Empfehlungen zum Bekleidungsgeld des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung in Rheinland-Pfalz - Landesjugendamt - gelten in ihrer jeweils gültigen Fassung entsprechend.

2. Leistungen bei wichtigen persönlichen Anlässen
Zu den wichtigen persönlichen Anlässen zählen die Taufe, die Erstkommunion, die Konfirmation oder vergleichbare Festlichkeiten mit besonderem und einmaligem Charakter. Der Bedarf aus diesem Anlass umfasst die Kleidung des jungen Menschen und die Kosten für die Ausgestaltung des Festes.
Die Kosten für die Bekleidung bei Kommunion und bei Konfirmation richten sich nach den Empfehlungen zum Bekleidungsgeld.
Für die Ausstattung des Festes kann ein Zuschuss von 200,-- EUR erforderlich sein, der abhängig ist von der Teilnehmerzahl und den regionalen Gepflogenheiten, in welchem Rahmen üblicherweise ein solches Fest gefeiert wird.

3. Leistungen für Urlaubs- und Ferienreisen

3.1 Kosten für Schulfahrten oder Klassenfahrten sollen in voller Höhe übernommen werden.

3.2 Gruppenreisen mit Jugendverbänden, Kirchengemeinden, Sportvereinen oder vergleichbaren Organisationen, die aus pädagogischen Gründen für das Pflegekind sinnvoll sind, können in Höhe von 200,-- EUR pro Jahr bezuschusst werden.

3.3 Für Ferien- und Urlaubsreisen oder Ausflüge in die Umgebung des Pflegekindes mit den Pflegeeltern soll ein jährlicher Pauschalbetrag von 300,-- EUR zur Verfügung gestellt werden.

4. Leistungen bei Kindergarten- und Schulbesuch sowie Berufsausbildung

4.1 Für den Kindergartenbesuch ist die Übernahme des Elternbeitrages für den Regelkindergartenbesuch stets erforderlich, da hierauf ein Rechtsanspruch besteht. Im Übrigen übernimmt der Kindergarten eine wesentliche Sozialisationsaufgabe, die für die Entwicklung jedes Kindes notwendig ist.

4.2 Zu der Erstausstattung bei Beginn der Schule gehört die Übernahme der Kosten für einen Schulranzen oder einen -rucksack.
Die Kosten für die Neuanschaffung von Schulbüchern zu Beginn eines jeden Schuljahres oder bei Umschulungen sind als Beihilfe zu gewähren, soweit keine Lehrmittelfreiheit besteht oder in Anspruch genommen werden kann oder keine Lernmittelgutscheine zur Verfügung stehen. Maßgebend ist die Schulbuchliste, die die Schüler für die Neuanschaffung von der Schule erhalten. Kleinere Anschaffungen für Bücher, Hefte, Schreibmaterial während des Schuljahres sollen von der monatlichen Pauschale finanziert werden.

4.3 Kosten für Nachhilfeunterricht können nach Einzelfallprüfung übernommen werden. Das Jugendamt entscheidet im Rahmen seines Ermessens, ob es die Vorlage einer schulischen Bescheinigung über die Notwendigkeit des Nachhilfeunterrichtes für erforderlich hält.

4.4 Für besondere Hilfsmittel, wie z.B. eine EDV-Ausstattung oder andere technische Hilfsmittel, die zur Benutzung durch das Kind aus schulischen oder später aus beruflichen Gründen erforderlich sind, soll ein Zuschuss gewährt werden.

4.5 Bei Eintritt in die Berufsausbildung werden notwendige Aufwendungen nach Absprache mit dem Ausbildungsbetrieb erstattet. Dazu gehören insbesondere Arbeitsbekleidung und -ausrüstung, ggf. auch ein Fahrtkostenzuschuss, soweit dieser erforderlich ist, um Ausbildungsstätte oder Berufsschule, zu erreichen und eine Drittfinanzierung ausscheidet.
Im Bedarfsfall kann auch die Anschaffung eines Mofas oder Mopeds einschließlich der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis bezuschusst werden.
Bei beruflich bedingter Notwendigkeit kann der Erwerb des Kraftfahrzeugführerscheines als Sonderbedarf nach den Empfehlungen des Landesamtes für die Übernahme der Kosten zum Erwerb eines Führerscheins in der jeweils gültigen Fassung bezuschusst werden.

5. Mobilitätshilfe
Nicht nur zur Erreichung von Schul- und Ausbildungsstätte, sondern auch für den Freizeitbereich kann ein altersentsprechendes Fortbewegungsmittel (z.B. ein Dreirad, ein Fahrrad) als Beihilfe oder bei besonderer Ausstattung als Zuschuss gewährt werden.

6. Leistungen zur besonderen pädagogischen Förderung

6.1 Vereinsbeiträge, die Anschaffung von Sportbekleidung und Sportgeräten oder Musikstunden und das Ausleihen eines Instrumentes oder Unterricht und Materialien für eine künstlerische Betätigung sind mit den materiellen Aufwendungen für das Pflegekind abgegolten, soweit sie sich im Rahmen des Vertretbaren halten.

6.2 Aus besonderen pädagogischen Gründen und zur Förderung besonderer Begabungen eines Pflegekindes im sportlichen, musischen oder künstlerischen Bereich kann das Jugendamt prüfen, ob ein Zuschuss zu diesen Positionen gewährt werden kann (z.B. bei der notwendigen Anschaffung eines teuren Musikinstrumentes).

7. Weihnachtsbeihilfe
Die Weihnachtsbeihilfe ist den Pflegekindern im Wege der Gleichstellung mit den jungen Menschen in Einrichtungen zu gewähren.

8. Beerdigungskosten
Bei Tod eines Pflegekindes umfasst die Hilfegewährung auch noch die Bewilligung eines angemessenen Zuschusses zu den Beerdigungskosten, soweit diese nicht aus dem Nachlass des Kindes oder im Rahmen der Unterhaltspflicht der leiblichen Eltern gedeckt werden können.

9. Versicherungen

9.1 Grundsätzlich sind Pflegekinder gern. § 10 Abs. 4 SGB V im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert. Ein Antrag auf Aufnahme in die Familienversicherung ist bei der jeweiligen Krankenkasse zu stellen. Im Falle einer privaten Krankenversicherung wird der erforderliche Beitrag mit notwendigen Zusatzversicherungen wie z.B. für den Zahnersatz vom Jugendamt übernommen. Ansonsten wird dem Pflegekind gern. § 40 SGB VIII Krankenhilfe über das Jugendamt gewährt.
Darüber hinaus können im Einzelfall weitere notwendige Kosten oder Restkosten übernommen werden. Im Rahmen der Einzelfallprüfung kann darauf abgestellt werden, inwieweit leiblichen Eltern (und ggf. dem jungen Menschen) neben der Heranziehung weitere Kosten zuzumuten sind und dass die Pflegeeltern nicht herangezogen werden dürfen, da diese gegenüber dem Pflegekind keine zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung haben.

9.2 Pflegekinder sind während des Besuches von Kindertagesstätten, von allgemein bildenden Schulen oder als Auszubildende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betrieben, Lehrwerkstätten, berufsbildenden Schulen oder ähnlichen Einrichtungen im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 SGB VII (gesetzliche Unfallversicherung) versichert. Außerhalb dieser gesetzlichen Verpflichtung zum Schadensersatz können darüber hinaus gehende, nicht gedeckte Schäden im Einzelfall vom Jugendamt nach vorheriger Prüfung übernommen werden.

9.3 Schäden, die das Pflegekind gegenüber Dritten verursacht, werden in der Regel durch die Sammelhaftpflichtversicherung des Jugendamtes abgedeckt oder vom Jugendamt getragen. Für Schäden, die im Binnenverhältnis Pflegeeltern - Pflegekind entstehen, sowie für Schäden, die von Kindern unter sieben Jahren verursacht werden, kann das Jugendamt eintreten, soweit diese versicherungsrechtlich nicht abgedeckt werden konnten oder nicht abgedeckt sind.

10. Kontaktpflege zur Herkunftsfamilie
Soweit die Kontaktpflege des Pflegekindes zu seinen leiblichen Eltern, Geschwistern, oder anderen Verwandten, zu seinen Freunden oder Bekannten aus seinem früheren Umfeld dem Kindeswohl nicht widerspricht, können die damit verbundenen Kosten zusätzlich übernommen werden.

11. Fortbildung für Pflegeeltern
Neben der regelmäßigen Beratung durch das Jugendamt kann Pflegeeltern zusätzlich die Möglichkeit zu Fortbildung und Teilnahme an Plegekinderkreisen in angemessenem Umfange gewährt werden. In besonders gelagerten Einzelfällen können auch Kosten einer Intensivberatung oder Therapie übernommen werden.

12. Einsatz von Hilfskräften
Die Übernahme angemessener Kosten für den Einsatz einer Hilfskraft z.B. bei Erkrankung oder in einer außergewöhnlichen Belastungssituation der Hauptbetreuungsperson sind mit dem Jugendamt zu vereinbaren, soweit diese Kosten nicht von Dritten zu tragen sind (vgl. Arbeitshilfe des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung - Landesjugendamt - Rheinland-Pfalz Betreuung und Versorgung in Notsituationen nach § 20 SGB VIII).