Haager Übereinkommen

Von Professor Dr. Ansgar Marx, FH Braunschweig, Wolfenbüttel

Vortrag, gehalten auf der Tagung der Zentralen Adoptionsstellen am 4.5.1995 in Bendorf

I. Das Haager Übereinkommen als Konsequenz einer Jahrzehnte währenden Expertendiskussion

Am 1.5.1995 ist das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (IEAÜ) vom 29.5.1993 in Kraft getreten, nachdem drei Staaten (Mexiko, Rumänien und Sri Lanka) das Abkommen ratifiziert haben. Daneben haben Zypern, Polen und Spanien ihre Ratifikationsurkunden in Den Haag hinterlegt. Augenfällig ist, daß zwei Staaten (Rumänien und Sri Lanka), die im Zusammenhang mit Kinderhandelsskandalen eine negative Presse erhielten, die Dringlichkeit einer Reform der internationalen Adoptionsvermittlung erkannten und die Initiative ergriffen. Bislang haben 23 Staaten das Abkommen gezeichnet. Die Bundesrepublik Deutschland gehört bisher nicht zu den Zeichnerstaaten. Die Haager Konvention über internationale Adoptionen ist logische multilaterale Konsequenz einer Jahrzehnte währenden Expertendebatte zum Schutz der Kinderrechte bei grenzüberschreitenden Adoptionen und kann damit als historisch bedeutsame Integrationsleistung gelten.

Internationale Organisationen hatten schon in den fünfziger Jahren die Problematik der internationalen Adoption thematisiert und darauf hingewiesen, daß die Vermittlung von Kindern ins Ausland besonderer fachlicher Begleitung und rechtlicher Schutzmechanismen bedarf. Auf von den Vereinten Nationen veranstalteten Expertentreffen in Genf (1957) und Leysin (1960) wurden Grundsätze für internationale Adoptionen verabschiedet, die das Fundament für die nahezu dreißig Jahre später verabschiedete UN-Erklärung über Jugendwohlfahrt, Pflegekindschaft und Adoption (1986) bildeten. Drei Jahre später wurden die bloßen Empfehlungen der UN-Deklaration mit dem UN-Übereinkornmen über die Rechte des Kindes von 1989 (kurz: KRK) in ein völkerrechtlich verbindliches Rechtsinstrument transformiert, das Deutschland bekanntlich ratifiziert hat.

Die adoptionsrelevanten Leitsätze der UN-Kinderrechtskonvention sollen hier kurz in Erinnerung gerufen werden, da sich zum einen das Haager Übereinkommen über internationale Adoptionen in der Präambel darauf bezieht und sich andererseits die Bundesrepublik verpflichtet hat, die innerstaatlichen Voraussetzungen einer Umsetzung der KRK zu schaffen:

a) Die Bewilligung einer Adoption, ist ein staatlicher Akt und privater Dispositionsbefugnis entzogen (Fachlichkeitsprinzip) (Art. 21 a KRK).

b) Eine internationale Adoption soll erst dann in Betracht gezogen werden, wenn das Kind nicht in seinem Heimatland in einer Pflege- oder Adoptivfamilie untergebracht oder dort nicht in geeigneter Weise betreut werden kann (Subsidiaritätsprinzip) (Art. 21 b KRK).

c) Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, daß bei internationalen Adoptionen Schutzvorschriften und fachliche Standards eingehalten werden, die denen einer Inlandsadoption vergleichbar sind (Schutzmechanismen) (Art. 21 c KRK).

d) Die kommerzielle Kindervermittlung soll durch geeignete innerstaatliche Maßnahmen, bi- oder multilaterale Verträge verhindert werden (Maßnahmen gegen Kinderhandel) (Art. 21 d, e und Art. 35 KRK).Das geforderte multilaterale Übereinkommen liegt nunmehr in Form des Haager Abkommens über internationale Adoptionen vor.

II. Inhalt des Haager Übereinkommens

1. Grundprinzipien (Art. 1 HiAÜ)

Internationale Adoptionen als weltweites Phänomen, geprägt von unterschiedlichen Vermittlungsstandards, einer Fülle von Rechtsproblemen, stärker oder schwächer intervenierenden Sozialbehörden und Justizorganen und nur punktuell funktionierenden grenzüberschreitenden Arbeitskontakten bieten eine Reihe von Mißbrauchsmöglichkeiten. Die Grundrechte des Kindes (und seiner leiblichen Eltern) bleiben dabei nicht selten auf der Strecke. Zum Schutz des Kindes und zur Sicherung international mittlerweile anerkannter Vermittlungsstandards übernimmt die Haager Konvention drei fundamentale Forderungen internationaler Adoptionspolitik: Zielvorgaben sind die Einführung von Schutzmaßnahmen (Art. 1 lit. a), die Errichtung eines Kooperationssystems zwischen den Vertragsstaaten (Art. 1 lit. b) und die Sicherung der Anerkennung von Adoptionen in den Vertragsstaaten (Art. 1 lit. c).

Insbesondere die schleppend funktionierenden und unzulänglichen Kontakte zwischen deutschen und ausländischen Fachstellen behindern die Arbeit der Adoptionsvermittlungsstellen, der Vormundschaftsgerichte und der Standesämter erheblich. Zudem bildet die Rechtsunsicherheit bei der Anerkennung einer im Ausland erfolgten Adoption, die mit der defizitären Regelung des § 16 a FGG nicht gelöst ist, für den Praktiker ein lästiges Problem. Von daher lassen alleine die Zielvorgaben der neuen Haager Adoptionskonvention hoffen, daß Deutschland mit einer Ratifizierung profitieren wird.

2. Anwendungsbereich (Art. 2 und 3 HIAÜ)

Anknüpfungspunkt für eine Anwendung der Konvention ist nicht etwa eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit zwischen Adoptivkind und Adoptant, sondern der mit der Adoption verbundene Aufenthaltswechsel von einem Vertragsstaat in einen anderen. Damit unterstreicht der Konventionsgeber die besondere Schutzbedürftigkeit, wenn ein Minderjähriger im Zusammenhang mit einer Adoption das Land seines gewöhnlichen Aufenthalts verläßt. Der Anwendungsbereich der Haager Adoptionskonvention erfaßt ein weites Fallspektrum. Um den nationalen Unterschieden der Abwicklungsmodelle Rechnung zu tragen, ist es unerheblich, ob die Adoption im Herkunftsland des Kindes oder im Aufnahmestaat stattfindet und ob das Kind seinen Adoptiveltern vor oder nach der Adoption übergeben wird (Art. 2 Abs. 1).Der Anwendungsbereich des Abkommens umfaßt gemäß Art. 2 Abs. 1 folgende Fallgruppen:

a. Die Adoption wurde entweder im Herkunftsland oder im Aufnahmeland abgeschlossen, bevor das Kind in den Aufnahmestaat übersiedelt.

b. Die Adoption findet nach dem Aufenthaltswechsel des Kindes entweder in dessen Herkunftsland oder im Aufnahmestaat statt.

c. Die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes erfolgt im Hinblick auf dessen Adoption.

Umgekehrt läßt sich aus Art. 2 auch ableiten, welche Fallkonstellationen nicht unter die neue Haager Adoptionskonvention fallen:

a. Da die unterschiedliche Staatsangehörigkeit zwischen Adoptivkind und Adoptant, nicht relevant ist, wird die Adoption eines ausländischen Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland durch Deutsche oder Ausländer in Deutschland nicht erfaßt (unterstellt, Deutschland wird Vertragsstaat).

b. Gleiches gilt für einen Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland, der ein dort beheimatetes Kind, gleich welcher Staatsangehörigkeit, adoptieren will.

c. Ebenfalls ohne Bedeutung für das Haager Adoptionsübereinkommen sind Fälle, in denen das Kind in einem Vertragsstaat lebt, die Adoptanten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Nicht-Vertragsstaat haben, oder umgekehrt.

Der Begriff Adoption wird in Art. 2 Abs. 2 definiert, worunter die Begründung eines dauerhaften Eltern-Kind-Verhältnisses verstanden wird. Ausgegrenzt werden demzufolge Institute, die nicht auf Dauer angelegt sind oder kein Eltern-Kind-Verhältnis entstehen lassen, wie etwa eine Pflegekindschaft, die Bestellung eines Vormundes oder die islamische Kafalah. Der umfassende Adoptionsbegriff des Art. 2 Abs. 2 macht wiederum die Intention der Zeichnerstaaten deutlich, die historisch gewachsenen Adoptionskonzepte der einzelnen Staaten unterschiedslos zu akzeptieren. Sowohl die Volladoption, bei der die Rechtsbeziehungen des Kindes zu seiner Ursprungsfamilie abgebrochen werden, als auch Formen schwacher Adoptionen oder Adoptionen mit eingeschränkten Wirkungen werden erfaßt. Die Altersgrenze für die Anwendung des Übereinkommens wurde für den Anzunehmenden bei Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gezogen (Art. 3 i.V.m. Art. 17 lit. c).

3. Materiellrechtliche Voraussetzungen (Art. 4 und 5 HIAÜ)

Bei den materiellrechtlichen Voraussetzungen einer internationalen Adoption lehnt sich das Haager Übereinkommen an die kinderrechtlichen Grundprinzipien des Art. 21 KRK an. Die materiellen Bedingungen für die Entstehung eines Adoptionsverhältnisses der Art. 4 und 5 werden ergänzt durch die verfahrensrechtlichen Vorschriften der Art. 14 bis 22.

Der Standort der internationalen Adoption im System der Fürsorgemaßnahmen für verlassene oder vernachlässigte Kinder wird durch den Subsidiaritätsgrundsatz gekennzeichnet (Art. 4 Abs. 1 lit. b), der sich aus Art. 21 lit. b KRK ableitet. Dem liegt die Einschätzung zugrunde, daß geeignete Betreuungsmöglichkeiten für ein Kind in seiner Heimat einer internationalen Adoption und damit einem Aufenthalts- und Kulturwechsel vorzuziehen sind. Dennoch gilt die internationale Adoption in der Hierarchie der Maßnahmen nicht als letzter Ausweg. Es wäre fatal, das Entwicklungspotential eines Kindes, das sich durch Adoption in einer ausländischen Familie eröffnet, nicht als Alternative zu einer Heimunterbringung in seinem Heimatland zu nutzen.

Ein weiterer fundamentaler Grundsatz der Art. 4 und 5 läßt sich als Fachlichkeitsprinzip bezeichnen. Er stützt sich auf Art. 21 lit. a KRK. Im Rahmen der installierten Schutzmechanismen will der Fachlichkeitsgrundsatz sicherstellen, daß die Adoptionsvoraussetzungen für das Kind von den "zuständigen Behörden des Heimatstaates" nach ihrem Recht (Art. 4) sowie die Adoptionseignung der Bewerber von den "zuständigen Behörden des Aufnahmestaates" nach deren Rechtsordnung festgestellt wird (Art. 5). Somit wird eine klare zwischenstaatliche Kompetenzaufteilung vorgenommen. Das auf Kooperation angelegte Abkommen impliziert, daß die Entscheidungen der Behörden in den Vertragsstaaten gegenseitig anerkannt werden.

Minimalstandards und Voraussetzungen für den Adoptionsprozeß, die von dem Heimatstaat des Kindes zu erfüllen sind, ergeben sich aus Art. 4:

a. Feststellung der Voraussetzungen, die das Kind für eine Adoption erfüllen muß (Art. 4 lit. a);

b. Berücksichtigung des Subsidiaritätsgrundsatzes (Art. 4 lit. b)-e;

c. Überprüfung, daß die Beteiligten die gesetzlich erforderlichen Einwilligungserklärungen ordnungsgemäß und nach der erforderlichen Beratung abgegeben haben (Art. 4 lit. c);

d. Überprüfung, ob die notwendige Einwilligung des Kindes vorliegt und ob das Kind altersgemäß beraten und dessen Wünsche berücksichtigt wurden (Art. 4 lit. d), und

e. Sicherstellung, daß die Beteiligten nicht durch Gegenleistung zur Abgabe der Einwilligungen bewogen wurden (Art. 4 lit. c Nr. 3, lit. d Nr. 4).

Mit der Aufgabenbeschreibung der Behörde des Heimatstaates korrespondiert Art. 16, in dem die Durchführung der Aufgaben verfahrensrechtlich festgeschrieben ist. Entsprechend der auf Kooperation angelegten Zuständigkeitsverteilung weist Art. 5 den Behörden des Aufnahmestaates Aufgaben zu, die fachliche Minimalstandards des Aufnahmestaates aufführen. Dazu gehören

a. die Feststellung der Adoptionseignung der Bewerber (Art. 5 lit. a);

b. die Sicherstellung der erforderlichen Beratung (Art. 6 lit. b) und

c. die Bestätigung, daß die Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen für das Kind erfüllt sind (Art. 5 lit. c).

Auch Art. 5 hat korrespondierende verfahrensrechtliche Vorschriften in Art. 14 und 15.

4. Das System internationaler Kooperation (Art. 6 - 13, Art. 14 - 22 HIAÜ)

Das System zwischenstaatlicher Kooperation folgt dem bewährten Modell früherer Haager Übereinkommen, die den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr über Zentralstellen der Vertragsstaaten kanalisieren. Der Wortlaut der Art. 6 ff stellt klar, daß internationale Adoptionsvermittlung primär als staatliche Aufgabe verstanden wird, ist doch die Rede von "Zentralen Behörden" und nicht etwa von Zentralen Stellen, Organen o.ä. Ein entsprechender Vorschlag, Vermittlungsmodi von Staaten zu akzeptieren, die halbstaatliche oder nichtstaatliche Organisationen als Zentralstellen zulassen, ist während der Verhandlungen der Sonderkommission gescheitert. Dennoch reagiert das Organisationsmodell flexibel auf die jeweilige staatliche Infrastruktur. Im Rahmen von Art. 8, 9 und 22 können Zentrale Behörden eine Reihe von Aufgaben an andere staatliche oder staatlich zugelassene Organisationen delegieren. Den Vertragsstaaten gibt das Haager Übereinkommen somit auf, eine oder, wenn der Staat föderalistisch organisiert ist, auch mehrere Zentrale Behörden zu benennen, die die Aufgaben nach dem Abkommen übernehmen (Art. 6). Deren Aufgabenkatalog reicht von allgemeinen bis zu fallbezogenen Funktionen. Zu den allgemeinen Aufgaben zählender gegenseitige Informationsaustausch über das Adoptionsrecht und andere adoptionsrelevante Fragen (Art. 7 Abs. 2 lit. a),

a. die gegenseitige Unterrichtung über die Wirkungsweise des Übereinkommens (Art. 7 Abs. 2 lit. b),

b. die Verhinderung kommerzieller Adoptionsvermittlung (Art. 8),

c. die Förderung der Adoptionsberatung (Art. 9 lit. c) sowie

d. der Austausch von Erfahrungsberichten (Art. 9 lit. d).

Auch bei der Einzelfallabwicklung sollen die Zentralen Behörden eine Schlüsselfunktion einnehmen. Die Vertragsstaaten versprechen sich von diesem Modell eine verstärkte Berücksichtigung fachlicher Adoptionsstandards sowie verbesserte Kontrollmöglichkeiten, um kommerzielle und sachfremde Motive bei der Adoptionsvermittlung zu reduzieren und die Grundrechte des Kindes zu gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die einzelnen Verfahrensschritte des Vermittlungsprozesses detailliert geregelt (Art. 14 - 22). Die einzelfallbezogenen Aufgaben der Zentralen Behörden und die Verfahrensschritte können hier nur kursorisch wiedergegeben werden:

a. Zuständig für die Entgegennahme des Adoptionsantrags ist die Zentrale Behörde des Aufnahmelandes (Art. 14).

b. Sie nimmt zur Adoptionseignung der Bewerber Stellung und übermittelt den Bericht der Zentralen Behörde des Heimatstaates des Kindes (Art. 1 5).

c. Letztere fertigt einen Bericht über die Adoptionsfähigkeit des Kindes, seine persönliche Entwicklung und Familiengeschichte an, stellt sicher, daß die notwendigen Einwilligungen eingereicht sind, und übermittelt den Bericht der Zentralen Behörde des Aufnahmestaates (Art. 16).

d. Die Entscheidung über die Unterbringung des Kindes bei Adoptionsbewerbern trifft die Zentrale Behörde des Heimatstaates unter Abstimmung mit der Zentralen Behörde des Aufnahmestaates (Art. 17).

e. Beide Zentralen Behörden ergreifen Maßnahmen, um die Ausreise- bzw. Einreisegenehmigungen für das Kind zu erhalten (Art. 18).

f. Beide Zentralen Behörden sorgen für den Transfer des Kindes (Art. 19 Abs. 2).

g. Die Zentralen Behörden unterrichten sich gegenseitig über den Verlauf des Adoptionsverfahrens und ggf. über eine Probezeit (Art. 20).

Wie schon erwähnt, eröffnet das Abkommen die Möglichkeit, sämtliche oder einzelne fallbezogene Aufgaben von den Zentralen Behörden an staatliche Stellen oder staatlich zugelassene Organisationen zu delegieren (Art. 22 Abs. 1). Dies trägt zur Reduzierung der Kostenkonzentration bei, stärkt die Funktion der Fachstellen mit schon bestehenden Auslandskontakten und vermindert die Gefahr unnötiger administrativer Verfahrensverzögerungen. Durch Intervention der US-amerikanischen Vertreter wurde eine Kompromißformel in den Konventionstext aufgenommen, die unter bestimmten Voraussetzungen die Adoptionsvermittlung durch Einzelpersonen oder nicht lizenzierte Vermittlungsstellen zuläßt (Art. 22). Diese sog. privaten oder unabhängigen Adoptionsvermittlungen wurden während der Treffen der Sonderkommission wegen ihrer fragwürdigen Fachlichkeit und der zuweilen undurchschaubaren Auswahlkriterien kontrovers diskutiert. Das Votum der Vereinigten Staaten für eine liberalere Regelung entfaltete offenbar erhebliches politisches Gewicht, so daß mit Art. 22 folgender Kompromiß formuliert wurde: Grundsätzlich dürfen nur Zentrale Behörden, staatliche Stellen oder lizenzierte Privatorganisationen als Adoptionsvermittler nach der Konvention beteiligt werden (Art. 22 Abs. 1).Von dieser Regel können jedoch Vertragsstaaten abweichen, indem sie erklären, daß Adoptionsvermittlung im Sinne der Konvention auch von Personen oder Organisationen wahrgenommen werden kann, sofern sie unter staatlicher Aufsicht stehen (Art. 22 Abs. 2).Als Rückausnahme ist jedoch jeder andere Vertragsstaat befugt - insbesondere Herkunftsländer -, eine Erklärung abzugeben, daß sie eine Zusammenarbeit mit solchen Personen oder Organisationen ablehnen (Art. 22 Abs. 3).Mit dieser Kompromißformel werden wohl auch Kritiker privater Adoptionsvermittlung leben können, zumal ausreichend Kontrollmechanismen eingebaut sind. So müssen diese "Privatvermittler" unter staatlicher Aufsicht stehen und vom jeweiligen Vertragsstaat regelmäßig benannt werden, so daß "schwarze Schafe" auf diesem Weg ausgefiltert werden können.

5. Anerkennung und Wirkungen der Adoption (Art. 23 - 27 HIAÜ)

Anerkennung und Rechtswirkungen einer bereits vollzogenen Adoption in den anderen Vertragsstaaten als klassisch international privatrechtliche Fragestellung wurde von der Haager Konferenz erfreulich liberal gelöst (Art. 23 - 27). Im Verhandlungsprozeß warfen dabei divergierende Varianten der Adoptionswirkungen der Zeichnerstaaten komplexe Rechtsfragen auf: Welche Wirkungen soll eine Adoption im Aufnahmestaat entfalten, dessen Recht lediglich die Volladoption zuläßt, wenn eine Adoption mit schwachen Wirkungen im Heimatland des Kindes stattgefunden hat? Oder eine andere Konstellation: In einem Vertragsstaat wurde eine Volladoption abgeschlossen; ein anderer Vertragsstaat läßt jedoch lediglich den Adoptionstyp zu, der die Rechtsbeziehung zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern nicht vollständig auflöst. Grundprinzip der Anerkennungsregel des Haager Abkommens ist zum einen die Anerkennungsautomatik (Art. 23). Eine Adoption, die nach dem Haager Übereinkommen in einem Vertragsstaat zustande gekommen ist, wird kraft Gesetzes in allen anderen Vertragsstaaten - und nicht nur im Verhältnis Herkunftsstaat/Aufnahmestaat - anerkannt (Art. 23 Abs. 1). Voraussetzung ist lediglich, daß die zuständige Behörde (nicht notwendigerweise die Zentrale Behörde) eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt hat (Art. 23 Absätze 1 und 2). Die ex-lege-Anerkennung macht ein Anerkennungsverfahren entbehrlich. Als Korrektiv, wie in internationalen Vereinbarungen üblich, wurde ein ordre-public-Vorbehalt eingebaut (Art. 24). Adoptionen, die trotz der Mitwirkung der Behörden eines Vertragsstaates betrügerisch, mit manipulierten Einwilligungen oder durch bestochene Staatsdiener zustande gekommen sind, kann (aber muß nicht) die Anerkennung verwehrt werden. Der Grundsatz der Anerkennungsautomatik wäre für sich genommen schon Grund genug für Deutschland, das Haager Übereinkommen zu ratifizieren, wird doch der Rechtsstatus eines im Ausland adoptierten Kindes spürbar verbessert. Die häufig langjährige und kostenintensive Notlösung einer Wiederholungsadoption würde entfallen, was nicht nur eine Entlastung der Adoptiveltern, sondern auch der Justiz und der Adoptionsvermittlungsstellen zur Folge hätte. Die Regeln, welche Rechtswirkungen eine anerkennungsfähige Adoption im jeweiligen Vertragsstaat entfaltet, lassen sich aus Art. 26 und 27 entnehmen: Erste Regel ist die Festlegung von Minimalwirkungen. Diese bestehen in der Anerkennung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen dem Kind und seinen Adoptiveltern und dem Übergang der elterlichen Verantwortung auf die Adoptiveltern (Art. 26 Abs. 1 lit. a und b). Ohne Frage eine Selbstverständlichkeit in wohl sämtlichen Adoptionsgesetzen. Als zweite Regel läßt sich folgender Programmsatz aufstellen: "Das radikalere Recht setzt sich durch ". Wurde mit der Adoptionsentscheidung nach dem Recht des Staates, in dem sie stattgefunden hat, das Rechtsverhältnis zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern aufgelöst, so wird diese Rechtsfolge auch in den anderen Vertragsstaaten anerkannt (Art. 26 Abs. 1 lit. c).Dritte Regel ist die innerstaatliche Gleichstellung. Bei einer Volladoption genießt das Adoptivkind die gleichen Rechte wie Adoptivkinder nach dem Adoptionsrecht des Anerkennungsstaates (Art. 26 Abs. 2).Vierte Regel ist das Günstigkeitsprinzip: Dem anerkennenden Vertragsstaat bleibt es unbenommen, günstigere Bestimmungen seiner Rechtsordnung auf das Adoptivkind anzuwenden (Art. 26 Abs. 3).Schließlich hat die Sonderkommission als fünfte Regel und gewissermaßen "als Schnitt durch die Nabelschnur" dem Aufnahmestaat eine Transformationsoption eingeräumt. Mit diesem juristischen Kunstgriff kann der Aufnahmestaat eine schwache Adoption in eine Volladoption umwandeln (Art. 27).

6. Allgemeine Bestimmungen (Art. 28 - 42 HIAÜ)

Von den generellen Vorschriften der Art. 28 - 42 sollen nur wenige exemplarisch herausgegriffen werden. In Anlehnung an die Art. 7 und 8 KRK, die ein schützenswertes Recht eines Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung postulieren, berücksichtigt Art. 30 HIAÜ in abgeschwächter Form die spezifische Identitätsproblematik eines Adoptierten. Den Vertragsstaaten wird aufgegeben, Angaben über die Herkunft des Kindes aufzubewahren und dem Adoptierten oder seinem Vertreter später zugänglich zu machen, soweit der autonome Gesetzgeber dies zuläßt. Unschwer läßt sich der Kompromißcharakter dieser Regelung ausmachen, der eben kein schützenswertes Recht des Adoptierten auf Kenntnis seiner Abstammung anerkennt. Dies ist mit Sicherheit als Konzession an Vertragsstaaten aufzufassen, deren gegenwärtige rechtspolitische Position den Schutz der abgebenden Mütter (Eltern) vor gesellschaftlicher Diskriminierung über einen von Offenheit und Aufklärung getragenen Identitätsfindungsprozeß des Adoptierten stellen. Entsprechende Datenschutzvorschriften finden sich im Anschluß in Art. 31.Kommerziellen Motiven bei der Adoptionsvermittlung soll durch die Vergütungsleitsätze des Art. 32 begegnet werden. Abschließend wird der Generalsekretär der Haager Konferenz ermächtigt, in regelmäßigen Abständen eine Sonderkommission zur Überprüfung der Funktionsweise des Übereinkommens einzuberufen (Art. 42).

III. Ratifizierungsbedarf in Deutschland

Würde eine Ratifizierung des Haager Übereinkommens über internationale Adoptionen durch die Bundesrepublik Deutschland einen spürbaren Fortschritt gegenüber der bisherigen Vermittlungspraxis bei grenzüberschreitenden Adoptionsfällen bedeuten? Eine Antwort kann naturgemäß nur hypothetisch ausfallen. Nach meiner Überzeugung kann das neue Haager Modell gravierende Schwachstellen der grenzüberschreitenden Adoptionsvermittlung beseitigen.

Auf den Prüfstand gehört das nicht mehr zeitgemäße und reformbedürftige Adoptionsvermittlungsgesetz. Das am 1. 1. 1977 in Kraft getretene Gesetz wurde niemals den spezifischen Eigenheiten des internationalen Vermittlungsprozesses gerecht. Das gilt in erster Linie für Art und Umfang der Aufgaben, die Kompetenzen und die Kooperationsmodalitäten in- und ausländischer Adoptionsvermittlungsstellen. Gegenwärtig bewegt sich die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in einem rechtsfreien Raum und wird dadurch für die hiesigen Behörden und Klienten undurchschaubar und unkalkulierbar und birgt zudem noch das Risiko mißbräuchlicher Adoptionsvermittlung.

Bei dem typischen Fall der internationalen Adoption findet die eigentliche Vermittlung des Kindes an deutsche Bewerber im Ausland statt, wobei die fachliche Einflußsphäre der deutschen Adoptionsvermittlungsstelle naturgemäß begrenzt ist. Um so wichtiger ist die Kooperation mit fachlich kompetenten ausländischen Vermittlungsstellen, die nur bei einem Teil der Fälle gewährleistet ist. Es wäre daher dringend geboten, Richtlinien für die fachliche Zusammenarbeit in- und ausländischer Stellen zu erarbeiten sowie Kooperationsmodalitäten aufzustellen. Das Haager Übereinkommen über internationale Adoptionen bietet ein solches Konzept von Schutzmaßnahmen, fachlichen Standards und Verfahrensrichtlinien, die auf der UN-Kinderrechtskonvention fußen und somit den Schutz des Minderjährigen in den Vordergrund stellen. Daneben wird augenfällig, daß lediglich zwei Organisationen (Eltern für Kinder in Essen, internationaler Sozialdienst in Frankfurt am Main) Adoptionsprogramme mit ausländischen Fachstellen in nennenswertem Umfang unterhalten. Angesichts der hohen Bewerberzahlen ist die Unterversorgung der Bundesrepublik mit Fachstellen, die eine spezielle Beratung anbieten und Bewerbungen für internationale Adoptionen annehmen, eklatant. Mit der Unterbetreuung adoptionswilliger Bewerber tritt zusätzlich ein entscheidender negativer Effekt ein. Adoptionsbewerber weichen auf erfolgversprechendere Wege zur Adoption eines ausländischen Kindes aus, als den Weg über die wenigen spezialisierten internationalen Vermittlungsstellen einzuschlagen. Gerade das Ausweichen auf direkte Kontakte in Ländern, deren Adoptionsverfahren wenig strukturiert und kontrolliert sind, garantiert kaum Schutz für das Adoptivkind, seine leiblichen Eltern sowie die deutschen Adoptionsbewerber. Ein wesentlicher Faktor für sog, Privatadoptionen und die Kontaktaufnahme Deutscher zu fachlich zweifelhaften Adoptionsvermittlern im Ausland sind demnach die unzureichenden organisatorischen Kapazitäten im Bereich zwischenstaatlicher Adoption. Auch hier will die neue Haager Adoptionskonvention Abhilfe schaffen und ein weltweites Kooperationsnetz von fachlich qualifizierten Stellen aufbauen. Ein gravierendes Manko im deutschen Internationalen Privatverfahrensrecht sind die unzureichenden Regelungen für die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung. § 16 a FGG enthält lediglich Negativkriterien, die bei Vorliegen die Wirksamkeit einer ausländischen Entscheidung ausschließen. Im Zweifelsfall wird Adoptiveltern zu einer Nachadoption in Deutschland geraten, um zu einer eindeutigen Klärung des Rechtsstatus des Kindes zu gelangen. Mit der Anerkennungsautomatik ist der Haager Konferenz eine Lösung gelungen, die Rechtssicherheit, Praktikabilität und eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands beinhaltet. Die ex-lege-Anerkennung bietet somit erhebliche Vorzüge gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage in Deutschland. In der Gesamtbetrachtung vereint die neue Haager Konvention über internationale Adoptionen den Schutz der Grundrechte des Kindes mit den Erkenntnissen moderner Adoptionspolitik. Umgesetzt werden diese Forderungen durch ein System von praktikablen Schutzmaßnahmen und ein Modell internationaler Kooperation, die in der Lage sind, die gravierenden Defizite der gegenwärtigen Rechtslage und Vermittlungspraxis in Deutschland zu beseitigen. Eine Zeichnung und Ratifizierung des Haager Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland sollte alsbald angestrebt werden.